Welche strategischen Vorhaben in puncto Checkout brennen den IT-Verantwortlichen in den Handelsunternehmen auf den Nägeln? Mit deutlichem Abstand auf Rang 1 steht, laut EHI-Trendstudie 2013, die Optimierung der Systeme und Prozesse am Checkout. Über ein Drittel der befragten Unternehmen sehen hier für die kommenden Jahre klaren Investitionsbedarf. Dabei geht es zwar auch um die Hardware, in erster Linie jedoch um die Erweiterung und Optimierung der Anwendungen. Eng damit verknüpft sind die Positionen 4 bis 6 im Ranking: die Multichannel-Integration, die Einbindung mobiler Devices sowie die Steuerung und Abrechnung der Promotion-, Kundenbindungs- und Coupon-Aktivitäten.   

Beim Mobile Payment gibt es momentan keinen Grund zur Hyperaktivität.

Detlev Anders

Leiter IT, Strauss-Innovation

Diese Prioritäten spiegeln sich auch in den Berichten, Einschätzungen und Meinungen der IT-Chefs von Handelsunternehmen, die sich regelmäßig in vom EHI organisierten und geleiteten Arbeitskreisen treffen und austauschen. Dazu gehören Detlev Anders, Leiter IT bei Strauss-Innovation, Thomas Baumann, Bereichsleiter Vertriebsprozesse bei Parfümerie Douglas, Benjamin Beinroth, Leiter Informationstechnologie bei Tegut, Thorsten Heinrichsmeier, Leiter Organisation/Finanzen bei Jeans Fritz, Uwe Metz, Leiter IS POS bei Deichmann, Holger Rommel, Geschäftsbereichsleiter IT/Organisation bei der Gries Deco Company und Wolfgang Ruhe, Bereichsleiter IT bei K&L Ruppert.

1. Kassensysteme

Das Marktangebot an Hardware besitzt einen hohen Reifegrad, Ausschreibungen und Angebotsvergleiche sind Routine für die IT-Abteilungen der Handelsbetriebe. Software-Auswahl dagegen erfordert exakte Anforderungsprofile und eingehende Labortests. Und im laufenden Betrieb bleibt die Kassensoftware eine Dauerbaustelle.

Sensible Daten bleiben im Haus.

Thomas Baumann

Bereichsleiter Vertriebsprozesse, Parfümerie Douglas International

Benjamin Beinroth (Tegut): „Die Kassen-Hardware hat einen hohen Reifegrad erreicht, die Marktangebote sind fast schon austauschbar. Ausschlaggebend bei Checkout-Projekten ist die Software, ihre Anpassungsfähigkeit und Individualisierbarkeit. Und am Ende des Tages der Paketpreis und die Total Cost of Ownership.“

Thomas Baumann (Douglas): „Technische Ausfälle bei der Hardware sind heutzutage fast kein Thema mehr. Für uns steht die internationale Verfügbarkeit der Hardware mit im Vordergrund. Bei der Auswahl der Software ist es uns bereits im Jahr 2004 gelungen, den zu uns passenden Anbieter zu finden. Web-Integration und mögliche Multichannel-Anwendungen wurden schon damals bei der Auswahl und Konzeption berücksichtigt. Künftige Multichannel-Anwendungen können heute mit relativ geringem Aufwand implementiert werden.“

Detlev Anders (Strauss): „Was eine Software kann und was sie nicht kann: Diese Karten könnten die Dienstleister aus meiner Sicht gerne schon beim ersten Gespräch offen auf den Tisch legen. Ich wünsche mir generell mehr Offenheit, zumal wir spätestens beim ersten Testlauf im Labor merken, wenn ein IT-Anbieter mehr verspricht, als er letztlich halten kann.“

Uwe Metz (Deichmann): „Jeder Standard eines Herstellers, der sich schnell, stabil und kostenbewusst anpassen lässt, ist ein guter Standard. Und wenn diese Anpassungen dann auch ab Implementierung fest zum Standard gehören und von der Herstellerfirma gepflegt werden, ist er ein guter Anbieter.“

Wolfgang Ruhe (K&L Ruppert): „Kein Anbieter deckt die individuellen Anforderungen vollständig ab. Mit der Individualität, mit der wir unseren Kunden am POS begegnen, nimmt die Bedeutung der Service-Integration in ein Kassensystem zu. Neue Funktionen, insbesondere zur Unterstützung des Multichannel-Business, stecken bei einigen Anbietern noch in den Kinderschuhen. Wo flexible SW-Architekturen etwa für die Integration von Webservices fehlen, wird es kaum möglich sein, Individualität in der Kundenabwicklung am POS mit vertretbarem Aufwand bereitzustellen.“

Holger Rommel (Gries Deco): „Ein Vergleich der meist einfach zu parametrierenden Standardfunktionen der Anbieter ist mit überschaubarem Aufwand möglich. Schwieriger wird es, die Realisierbarkeit von kundenindividuellen Anforderungen und deren Auswirkungen auf die Performance des Gesamtsystems zu beurteilen.“

2. Multichanneling

Die Zahl der Unternehmen, die Multichannel-Projekte planen, hat sich im Vergleich zu 2011 fast verdoppelt, stellt das EHI in seiner Trendstudie 2013 fest. Heute beschäftigt sich jedes zweite Unternehmen mit der Multichannel-Integration. Die umfassende Online-Offline-Verknüpfung gilt als eine der größten Herausforderungen der kommende Jahre.

Ich bin davon überzeugt, dass sich SB-Checkouts auf breiter Front durchsetzen werden.

Benjamin Beinroth

Leiter Informationstechnologie, Tegut

Thorsten Heinrichsmeier (Jeans Fritz): „Mittelfristig wird aus meiner Sicht eine vollständige Vernetzung von Online- und stationärem Handel selbstverständlich werden. Auch an der Ladenkasse müssen Abholung und Umtausch online gekaufter Ware problemlos möglich sein. Eine Herausforderung dabei ist die vollständige Daten-Transparenz der Online-Transaktionen auch an der Kasse.“

Thomas Baumann (Douglas): „Wir haben bei Douglas bereits umfangreiche Multichannel-Funktionen an der Kasse realisiert. Der Kunde kann online gekaufte Ware in der Filiale retournieren oder bezahlen. Er kann nicht vorrätige Ware direkt in der Filiale online bestellen und online oder stationär bezahlen. Und er kann Online-Bestellungen in der Filiale abholen. Für die Zukunft sehen wir hinsichtlich weiterer Mulitchannel-Funktionen in unserer Systemarchitektur keine Beschränkungen.“

Detlev Anders (Strauss): „In vielen Handelsunternehmen haben sich über die Jahre hinweg unterschiedliche technologische Plattformen und unterschiedliche IT-Strukturen aufgebaut. Daraus resultieren Performance-Probleme bei der Integration systemübergreifender Prozesse ebenso wie Schwierigkeiten beim Synchronisieren von Datenhaltungsprozessen. Zentrale Lösungen, die alle Verkaufskanäle in Echtzeit unterstützen, könnten hier Abhilfe schaffen.“

Wolfgang Ruhe (K&L Ruppert): „Einwandfreie Kassenfunktion hat unter MC-Gesichtspunkten deutlich mehr Komponenten. Früher: Hardware, Software, Netzbetrieb, Heute: Hardware, Software, Netzbetrieb, SOA-Services, Verfügbarkeit abhängiger Systeme, die vom Web-Service benötigt werden. Die Abgrenzung der Service-Verantwortung muss für den Störfall exakt zugeordnet sein. Das SLA-Management wird damit komplexer.“

3. Cash-Automatisierung

Die Barzahlungsquote im Handel sinkt allmählich, aber stetig. Dennoch wird die Barzahlung auch weiterhin eine wichtige Bezahlart im Handel bleiben. Das Interesse an einer Automatisierung der Bargeldprozesse hält sich aber – zumindest bei den im EHI-Arbeitskreis aktiven IT-Verantwortlichen – in Grenzen.

Mittelfristig wird eine vollständige Vernetzung von Online- und stationärem Handel selbstverständlich werden.

Thorsten Heinrichsmeier

Leiter Organisation/Finanzen, Jeans Fritz

Uwe Metz (Deichmann): „Für uns zu teuer, wir versuchen eben, die Barzahlungsquote zu senken.“

Wolfgang Ruhe (K&L Ruppert): „Aus meiner Sicht ist Cash-Automatisierung im mittelständischen Modehandel aufgrund der hohen Investitionskosten aktuell nicht flächendeckend darstellbar. Mit zunehmender bargeldloser Zahlung wird das Thema auch an Bedeutung verlieren.“

Thomas Baumann (Douglas): „Kein wirkliches Thema für uns. Die Geräte sind zu teuer. Die Bargeld-Quote wird weiter sinken. Sollten sich mobile Bezahlverfahren und E-Wallets durchsetzen, könnte sich dieser Prozess weiter beschleunigen. Auch in den Kassenbüros kommen wir mit der bewährten Geldwaage gut zurecht.“

Benjamin Beinroth (Tegut): „Rein unter Return on Invest-Gesichtspunkten rechnet es sich für uns nicht, Cash-Automaten am POS zu installieren. Aber auch jenseits der betriebswirtschaftlichen Betrachtung: Ich zweifle an der Kundenakzeptanz, und ich befürchte, dass die Technik den Durchlauf am Checkout verzögert.“

4. SB-Checkout

Zum Kreis der hier befragten IT-Verantwortlichen gehören mit Uwe Metz und Benjamin Beinroth lediglich zwei Vertreter aus den für die SCO-Technologie relevanten FMCG-Branchen. Bei Tegut wird momentan eine Mobile-Scanning-Lösung getestet mit Bezahl-Terminals, die ausschließlich Kartenzahlung zulassen.

Ich habe noch keinen Selfcheckout gesehen, der mich auch nur ansatzweise überzeugt hätte.

Uwe Metz

Leiter IS POS, Deichmann SE

Benjamin Beinroth (Tegut): „Ob stationäre oder mobile Varianten – ich bin davon überzeugt, dass sich SB-Checkouts als Ergänzung zu bedienten Kassen in den kommenden Jahren auch im deutschen Lebensmittelhandel auf breiter Front durchsetzen werden. Wir bei Tegut glauben, dass das mobile Selfscanning, künftig vielleicht auch mit dem Smartphone, eine für den Kunden komfortable Lösung für den Bezahlprozess sein kann.“

Uwe Metz (Deichmann): „SB-Technologien werden von manchen Kunden wahrgenommen, von anderen nicht. Aber ich habe noch keinen SB-Platz gesehen, der mich auch nur ansatzweise überzeugt hätte. Hier ist noch viel Luft nach oben.“

5. Bezahlarten

Generell räumen die IT-Verantwortlichen dem Bezahlen per Handy mit Perspektive bis 2020 gute Chancen ein, sich zu einer relevanten Bezahlart zu entwickeln. Eine Prognose darüber, welche Anbieter sich durchsetzen und welche Technologien (NFC-basiert, App-basiert, QR-basiert) relevant werden, wird aus heutiger Sicht als schwierig erachtet.

Bei der Kassenabwicklung wird sich die NFC-Technologie durchsetzen.

Holger Rommel

Geschäftsbereichsleiter IT/Organisation, Gries Deco Company

5. Bezahlarten

Detlev Anders (Strauss): „Momentan gibt es keinen Grund zur Hyperaktivität. Von einheitlichen Standards beim Mobile Payment sind wir noch weit entfernt. Außerdem fehlt die flächendeckende Ausrüstung von Smartphones mit dem NFC-Chip. Also kann man die ersten Pilotversuche in Ruhe beobachten. Generell und auf längere Sicht allerdings traue ich dem Mobile Payment eine dynamische Entwicklung zu.“

Thomas Baumann (Douglas): „Die Bargeld-Quote wird nach meiner Einschätzung in den kommenden Jahren schneller als bislang sinken. Welche Rolle das Mobile Payment dabei spielen wird? Solange sich das Dickicht der unterschiedlichen Anbieter und Verfahren nicht lichtet, solange sich nicht klare Standards herausbilden, wird Mobile Payment in der Experimentierphase stecken bleiben. Bei Douglas sind wir jedenfalls gerüstet. Unsere Infrastruktur ist NFC-fähig und akzeptiert die ersten Karten. Die Kunden fragen mittlerweile auch vermehrt nach der Bezahlmöglichkeit mit NFC.“

Wolfgang Ruhe (K&L Ruppert): „Die Pilotprojekte der nächsten Monate werden näheren Aufschluss darüber geben, ob und in welcher Form kontaktlose Bezahlformen in ausreichendem Umfang von den Verbrauchern akzeptiert werden und welche Lösungen sich dauerhaft im Markt etablieren können. Wir werden dann rechtzeitig auf den Zug aufspringen.“

Uwe Metz (Deichmann): „Wir reagieren opportunistisch: Wir bereiten unsere Terminals auf NFC vor. Wir sind sowohl in der Lage 2-D-Barcodes zu lesen als auch sie darzustellen. Unser Motto lautet: Flexible Response.“

Holger Rommel (Gries Deco): „QR-Code mit dem Handy abfotografieren? Nette Sache für das Mobile Marketing an der Plakatwand, aber nicht bei der Kassenabwicklung. Ich gehe davon aus, dass sich die NFC-Technologie durchsetzt.“

6. Cloud-Anwendungen

Wie stabil ist das Netz – insbesondere für internationale Anwendungen? Wo lagern meine Daten und wie sind sie gegen fremde Zugriffe geschützt? Wenn es um mehr als nur „Commodity“- Anwendungen wie MailXchange oder eRecruiting geht, dominiert Skepsis bei den IT-Verantwortlichen. Zumal an der Kasse: Totalausfälle am Checkout oder ein Übergriff auf sensible Daten wäre ein Gau für ein Handelsunternehmen.

Aktuell sehe ich noch keine für uns einsatzreifen Cloud-Dienste.

Wolfgang Ruhe

Bereichsleiter IT, K&L Ruppert

Uwe Metz (Deichmann): „Bis die Netze in allen Ländern, in denen wir auftreten, so stabil sind, dass wir uns erlauben können, Kassen als zentrale Applikation in der Cloud zu hosten, bin ich wahrscheinlich wieder deutlich älter geworden. Theoretisch lässt sich eine Cloud-Applikation gut warten. Theoretisch treten Fehler, die die Cloud-Kasse zum Stillstand bringen, auch nicht auf. Leider aber differieren Theorie und Praxis hin und wieder.“

Thomas Baumann (Douglas): „Unkritische Anwendungen immer gerne, aber sensible Daten bleiben im Haus. Außerdem spielt der Datenschutz eine wichtige Rolle und international gibt es rechtlich gesehen auch noch ein paar Hürden zu nehmen.“

Wolfgang Ruhe (K&L Ruppert): „Die cloudbasierte Bonablage kann für Kunden als Serviceaspekt und für Händler zur Prozessoptimierung Mehrwerte bieten. Darüber hinaus sind für mich Cloud- Einsatzmöglichkeiten am POS wie zentrale Rechnungs- und Beleg-Workflows vorstellbar. Aktuell sehe ich aber noch keine für uns einsatzreifen Cloud-Dienste.“

Thorsten Heinrichsmeier (Jeans Fritz): „In welchem Land liegen meine Daten? Welches Recht gilt für diese Daten? Ob sich die Cloud durchsetzen wird, wird nicht zuletzt von dem Vertrauen in Datensicherheit und Rechtssicherheit abhängen. Wir jedenfalls nutzen bisher die Möglichkeiten des Cloud Computing nur ansatzweise, größere Projekte sind vorerst nicht geplant.“

Holger Rommel (Gries Deco): „Eine Cloud für den Checkout ist nicht geplant. Dennoch nutzen wir die Cloud schon heute für verschiedene Anwendungen. Beispielsweise wird unser Business Intelligence-System von einer Private Cloud bedient – ein wahnsinnig großer Daten-Anfall, und ich bin froh, dass wir dafür keine eigenen Server-Kapazitäten vorhalten müssen.“

Detlev Anders (Strauss): „Die Haltung sensibler Daten in einer Public Cloud kann ich nach jetziger Beurteilung definitiv nicht verantworten. Für diverse kleinere Anwendungen ohne sensible Daten nutzen wir aktuell eine Private Cloud. Hier ist jedoch schriftlich fixiert, in welchem Land diese Daten gespeichert werden und welche Datenschutzbestimmungen hier greifen.“

Das Interview führte Klaus Manz.

Fotos (8): Frank Rümmele