Der Rewe Group gebührt die Ehre, als erstes Handelsunternehmen in Europa das „Electronic Shelf Labelling“ (ESL) in der Praxis getestet zu haben. Das liegt genau 30 Jahre zurück und geschah in einem Lebensmittelmarkt der Rewe-Genossenschaft Hungen im Siegerland. Elektronische Regaletiketten ermöglichen dem Handel seitdem eine bis dahin nicht gekannte Flexibilität: Preisänderungen stehen zeitgleich am Regal zur Verfügung, aufwändige manuelle Preisänderungen entfallen. Dazu kommt der Aspekt der Preissicherheit: Es ist sichergestellt, dass die Preisauszeichnung am Regal zweifelsfrei mit dem vom Scanner an der Kasse ermittelten Preis übereinstimmt.

Trotz dieser unbestrittenen Vorteile hat ESL zumindest im deutschen Einzelhandel nie so recht Fahrt aufgenommen. Vor allem der Etikettenpreis musste als Argument dafür herhalten, dass eine nennenswerte Marktdurchdringung ausblieb. In jüngster Vergangenheit ist die elektronische Preisauszeichnung allerdings wieder in den Fokus des Handels gerückt und hat sich zu einem Trendthema entwickelt. Drei Treiber sind dafür verantwortlich:

  • Die Kunden erwarten in den Filialen umfassende, aktuelle Preis- und Produktinformationen wie Herkunftsnachweise bei Lebensmitteln oder Informationen über Inhaltsstoffe. Je mehr Informationen vom Gesetzgeber vorgeschrieben werden, umso schwieriger wird es, diese auf einem Papieretikett darzustellen. ESL ermöglichen die Übermittlung und Anzeige dieser Informationen, zum Beispiel via Bar- oder QR-Code, die der Kunde über sein Smartphone entschlüsseln kann. ‚
  • Die Marktdynamik mit der Entwicklung der Online-Kanäle zwingt die stationären Händler zu schnellen Preisanpassungen. Mit ESL können „Multichannel“-Händler flexibel auf Preisaktionen von Wettbewerbern reagieren und die Preise in allen Kanälen besser koordinieren. Beispiel Media-Saturn Niederlande: Im Zuge einer intensiven Wettbewerbsbeobachtung reagiert die UE-Fachhandelskette täglich mehrmals auf Preisänderungen und passt seine Preise unverzüglich an. Mit Papieretiketten am Regal wäre diese Preisstrategie nicht darstellbar.
  • Die ESL-Technologie hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Die bislang genutzten LCD-Etiketten sind zwar mittlerweile grafikfähig, doch Darstellungsqualität und Blickwinkel sind begrenzt; QR-Codes und Barcodes lassen sich zudem nur schwer scannen. Vom Qualitätsaspekt her gilt die von den E-Book-Readern bekannte E-Ink-Technologie derzeit als das Maß der Dinge. Diese Technik ermöglicht neben den Farben Schwarz und Weiß neuerdings auch die Darstellung einer dritten Farbe (Rot).

E-Paper wird Standard

„E-Paper wird bei ESL zum Standard, LCD ist nicht mehr zukunftsfähig“, meint René van der Horst, Key Account Manager bei Pricer S.A.S. Der schwedische Display-Hersteller mit Hauptsitz in Stockholm beliefert alle namhaften Systemintegratoren wie NCR, Toshiba oder Wincor Nixdorf mit elektronischen Regaletiketten. Zwar entscheidet letztlich der Handel, welchen Etikettentyp er in seinen Märkten eingesetzt haben will, doch die Integratoren haben einen großen Einfluss auf die Investitionsentscheidung, zumal sie die Displays nach der Installation warten und überwachen. SES (Store Electronic Systems), maßgeblicher Hersteller von Etiketten mit TFT-Technologie mit Wincor Nixdorf als exklusivem Distributionspartner in der D-A-CH -Region, hat sein Portfolio inzwischen um E-Paper-Etiketten erweitert. Die Übernahme des österreichischen ESL-Anbieters und E-Paper-Spezialisten Imagotag durch SES ist ein klares Signal, wohin der Trend bei den ESL-Technologien in Zukunft geht.

Während die ersten ESL-Anwendungen noch mit untereinander verdrahteten Regaletiketten betrieben wurden, ist die drahtlose Kommunikation zwischen Filialserver, Regaletikett und Kasse heute Standard. Zwei ganz unterschiedliche Verfahren haben sich am Markt durchgesetzt: die Datenübertragung durch Funk auf der Basis von Radiofrequenz (Kurz- und Ultrakurzwelle) und die Infrarot-Datenübertragung. Bei Verwendung von Infrarotlicht als Datenübertragungsleiter muss eine Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger bestehen. Die Übertragung erfordert die Installation von mehreren Transceivern an der Decke, die auch gewartet werden müssen. Auf der anderen Seite „ermöglicht Infrarot große Bandbreiten, höchste Geschwindigkeiten und schnellste Reaktionszeiten“, betont René van der Horst die Vorzüge dieser Technologie.

Datenübertragung per Funk

Die Datenübertragung per Funk greift hingegen auf ein bestehendes Wlan im Markt zu. Da aber auch andere Systeme wie Kassen, Waagen, Drucker, Digital-Signage-Anwendungen oder auch die Smartphones der Kunden die Wlan-Frequenzen nutzen, ist nicht auszuschließen, dass sich die Anwendungen „gegenseitig in die Quere kommen.“ „Bei Radiofrequenzanwendungen im Wlan-Bereich auf großen Flächen gibt es noch gewisse Hürden, die aber in Zukunft mit Sicherheit noch gelöst werden“, ist Hilmar Kraft, Produkt Manager von Wincor Nixdorf, überzeugt. Kraft erachtet die Wlan-Technologie als sehr gut geeignet für kleinere Märkte. Für größere Märkte mit Flächen ab ca. 3.000 qm favorisiert Wincor Nixdorf nach wie vor die Langwellen-Technologie, „weil sie vollkommen ungestört von sämtlichen anderen Signalen im Markt arbeitet, sehr hohe Übertragungsraten ermöglicht und einen niedrigen Stromverbrauch hat.“ Nachteile sind die Ein-Wege-Kommunikation (Signale werden vom Etikett nicht an den Server zurückgesendet) und die relativ aufwändige Installation: Antennenkabel müssen an der Decke quer durch den Markt verlegt werden. Das ist teurer, als Access-Points an ein vorhandenes Netz oder an eine Stromsteckdose anzuschließen.

Statement: „ESL: Gesamtkonzept gefragt“

Klaus Smets (General Manager, Toshiba)

Klaus Smets (General Manager, Toshiba)

Lösungen für die elektronische Preisauszeichnung sind für den Handel aktueller denn je, da die Kunden immer anspruchsvoller werden. Sie erwarten in den Filialen umfassende, aktuelle Produkt- und Preisinformationen, die nicht nur am Regal, sondern auch über Preisprüfer, Kiosklösungen und mobile Lösungen einschließlich Smartphones zur Verfügung stehen. Einzelhändler benötigen daher ein Gesamtkonzept, wie sie mit ihren Kunden am besten interagieren und kommunizieren.

Der Schweizer Systemintegrator Bison empfiehlt seinen Handelskunden daher die Funk-Technologie für die Übertragung von ESL-Signalen. „Sie bietet optimale Bandbreiten und kommt mit weniger Hardware-Infrastruktur aus“, so ein Firmensprecher. Den Anteil von Hardware-Infrastruktur, Software und Dienstleistungskosten am Gesamtpaket „ESL“ beziffert Bison mit circa 10 Prozent, bei einem Budget von 200.000 Euro für die Ausstattung eines Marktes mit 15.000 ESL-Etiketten. „Ein 2.500 qm großer Markt benötigt nur 5 bis 6 Access-Points gegenüber 30 oder 40 Sendern bei Infrarot oder 1.500 Meter Kabelantenne beim Langwellenfunk“, rechnet Erik Haas, ESL Business Development Manager bei Bison, vor.

Wincor Nixdorf kalkuliert für einen Supermarkt der Größenordnung 2.000 bis 2.500 qm etwa 15.000 bis 20.000 elektronische Regaletiketten. Der Ausstattungsgrad läge bei Märkten mit dieser ESL-Technologie bei 70 Prozent. Frischwaren in Bedienungstheken, Gewürze, Zeitschriften und andere Artikel werden in der Regel manuell oder von der Industrie ausgezeichnet. Wo ESL möglich ist, sollten die Etiketten auch flächendeckend eingesetzt werden, rät Hilmar Kraft und erteilt partiellen Lösungen eine Absage.

Mit einer Ausnahme: „Für die Obst- und Gemüseabteilung gelten andere Regeln als beim Trockensortiment. Hier ändern sich häufiger noch als die Preise Angaben wie Handelsklassen oder Herkunftsland. Hier kann eine Teilausstattung mit ESL durchaus Sinn machen, wenn zunächst kein flächendeckender Einsatz gewünscht wird.“ Auch andere Integratoren raten durchweg zur Komplettausstattung. „Bei der Entscheidung für eine Lösung auf Basis von Infrarot-Technologie ist die Ausstattung des Komplettsortiments sinnvoll, zumal die erforderliche Infrastruktur mit Transceivern und Servern auch für eine Teilausstattung angeschafft werden muss“, heißt es bei Toshiba.

Flächendeckend ratsam

Die großformatigen E-Paper-Etiketten, wie sie in der Obst- und Gemüseabteilung eingesetzt werden, sind dabei deutlich teurer als die Standardformate. So kostet ein 2,7 Zoll-E-Paper-Etikett nach Angaben von Bison um die 8 Euro, ein 4,4 Zoll-Etikett (Obst und Gemüse, Getränke) rund 24 Euro und ein 7,4 Zoll-Etikett circa 75 Euro. Der Etikettenpreis steigt somit exponenziell zur Etikettengröße. Aber: „Bei 20.000 Lebensmittelartikeln sind 95 Prozent 2,7 Zoll-Artikel“, heißt es bei Bison. In Elektronikmärkten seien es mit 8.000 bis 10.000 Artikeln zwar deutlich weniger Artikel, dafür sind die Etiketten (hauptsächlich 4,4 Zoll) aber größer und dementsprechend teurer. TFT-Etiketten im Standardformat sind übrigens im Schnitt nur einen Euro günstiger als E-Paper-ESL.

Die Online Software AG, Spezialist für digitale Preis- und Werbekommunikation am POS, hat kürzlich eine Schnittstelle entwickelt, mit der die ESL verschiedener Hersteller in ein zentrales POS-Werbesystem integriert werden können. Mit der Anbindung der grafischen elektronischen Regaletiketten an das Standard-Filial-Werbesystem von Online Software lassen sich nun auch Werbebotschaften an die ESL-Displays übermitteln. „Damit sind Digital-Signage-Umsetzungen bis zum Regal möglich“, so Dr. Michael Moosburger, Geschäftsführer des Kooperationspartners Imagotag.

„Irgendwann wird der Handel gar keine andere Wahl haben als ein automatisiertes Informationssystem direkt am Regal, mit hoher Reaktionsgeschwindigkeit und großen Bandbreiten“, ist René van der Horst von Pricer überzeugt. Auch die Rewe, europäischer Pionier der ESL-Anwender im Einzelhandel, forciert ihre Investitionen in die elektronische Regalpreisauszeichnung. „Wir haben entschieden, alle neuen Märkte und sämtliche Umbauten mit ESL auszustatten“, gibt Rewe-CIO Jens Siebenhaar bekannt. Kooperationspartner und Hardware-Lieferant ist Samsung, die Etiketten werden durch Service-Betriebe der Rewe angebracht.  

Foto: Imagotag

Weitere Informationen: www.eurocis.com