Scoring – heute und in Zukunft | stores+shops

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Ab Warenkörben von etwa hundert Euro lohnt es sich für Online-Händler, von ihrem Payment-Dienstleister ein Scoring durchführen zu lassen – zu groß ist sonst das Risiko nicht bezahlter Rechnungen und zurückgebuchter Lastschriften. (Foto: istockphoto.com / Guido Vrola)

Scoring – heute und in Zukunft

Von der Bestellung auf Rechnung im Onlineshop über Handyverträge und Kredite sind viele Alltagsgeschäfte von Ergebnissen aus Bonitätsprüfungen abhängig. Wie funktioniert Scoring heute? Wie wirkt sich das sogenannte Social Scoring – das Nutzerdaten aus dem Internet auswertet – auf Bonitätsprüfungen in der Zukunft aus? Und: Was bedeutet das für Händler?

Im E-Commerce spielt Scoring wohl in keinem anderen Land eine so wichtige Rolle wie in Deutschland. Das hängt damit zusammen, dass die beliebtesten Online-Zahlungsarten hierzulande das Lastschriftverfahren und der Kauf auf Rechnung sind. Online-Käufer zahlen so gerne per Lastschrift und Rechnung, weil sie ihre Bestellung schnell erhalten und gleichzeitig eine gewisse Sicherheit haben: Eine Lastschrift kann der Kunde zurückbuchen lassen, und bei Rechnung zahlt er einfach nicht, wenn die Ware in mangelhaftem Zustand oder gar nicht geliefert wird. Für Käufer ist dies praktisch, für Händler hingegen besteht ein Risiko für Zahlungsausfälle. Um sich gegen schwarze Schafe abzusichern, können Shopbetreiber daher eine Bonitätsprüfung durchführen lassen.

Scoring im E-Commerce – bislang

Gesetzt den Fall, es entscheidet sich ein Betreiber eines Elektronik-Onlineshops dafür, sein Risiko bei den Zahlarten Lastschrift und Rechnungskauf durch Scoring zu minimieren: Wie wird die Zahlungsfähigkeit eines Shoppers geprüft, der ein LCD-TV-Gerät im Wert von mehreren hundert Euro bestellen möchte? Dazu muss gesagt werden, dass es ein von Scoring-Dienstleistern streng gehütetes Geheimnis ist, wie der Vorgang im Einzelnen funktioniert. So viel steht allerdings fest: Der Käufer bekommt nicht einmal mit, dass im Hintergrund seiner Bestellung eine Einstufung seiner Kreditwürdigkeit erfolgt. Das Scoring geschieht innerhalb von Sekunden. Fällt es positiv aus, hat der Käufer die Auswahl zwischen allen Bezahlmethoden. Ergibt die Analyse eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde die Rechnung – vorsätzlich oder unverschuldet – nicht bezahlen wird, bekommt dieser im Check-out nur Zahlarten angeboten, die aus Händlersicht sicher sind. Dazu zählen etwa Kreditkartenzahlung oder Überweisung.

Zur Ermittlung eines Scoring-Werts bedient man sich Auskunfteien wie Schufa, Bürgel oder Creditreform sowie verschiedener öffentlich zugänglicher Verzeichnisse. (Grafik: Fotolia / peapop)

Zur Ermittlung eines Scoring-Werts bedient man sich Auskunfteien wie Schufa, Bürgel oder Creditreform sowie verschiedener öffentlich zugänglicher Verzeichnisse. (Grafik: Fotolia / peapop)

Um für einen Online-Kunden einen Scoring-Wert zu ermitteln, bedient sich ein entsprechender Dienstleister mehrerer Quellen: Dazu gehören klassische Auskunfteien wie die Schufa, Bürgel oder Creditreform sowie öffentlich zugängliche Verzeichnisse. Zum Beispiel müssen Insolvenzgerichte die Eröffnung von Unternehmens-, aber auch von Privatinsolvenzverfahren, bekanntgeben. Amtsgerichte nehmen einen Eintrag im Schuldnerverzeichnis vor, wenn ein Schuldner nach einem erfolglosen Pfändungsversuch des Gerichts eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgeben muss. Klassische Auskunfteien und öffentliche Verzeichnisse allein liefern jedoch noch keinen aussagekräftigen Scoring-Wert: Zum einen dauert es eine gewisse Zeit, bis aktuelle Informationen eingetragen werden, und zum anderen werden Einträge nach einigen Jahren entweder von selbst gelöscht oder der Betroffene kann sie auf Verlangen löschen lassen. Daher nutzen Scoring-Dienstleister auch Datenbanken von Unternehmen, um die Bonität von Online-Kunden zu beurteilen. In der Datenbank „HWD“ führen stationäre und Online-Händler Kontonummern sowie Bankleitzahlen von EC-Karten auf, mit denen Rücklastschriften getätigt wurden. Ein weiteres Beispiel ist die EOS-Gruppe, eine Tochter des Otto-Konzerns, die außerdem Gesellschafterin der Auskunftei Bürgel ist: EOS hat Zugriff auf sämtliche Kundendatenbanken von Otto und bietet somit eine der größten Informationsquellen über die Zahlungsmoral von Konsumenten in Deutschland.

Zudem tragen soziodemografische Daten zum Scoring-Wert bei: Dahinter verbergen sich Daten über die Wohngegend des Käufers. Wohnt dieser etwa in einer Gegend mit hohem Mietpreisspiegel, in der verhältnismäßig viele Autos hochpreisiger Marken zugelassen sind? Wer es sich leisten kann, hier zu wohnen, verfügt mit großer Wahrscheinlichkeit über eine entsprechende Zahlungsfähigkeit. Insgesamt entwickeln Scoring-Dienstleister ihre Verfahren auf Basis aller genannten Datenquellen: klassische Auskunfteien, öffentliche Verzeichnisse, Datenbanken von Unternehmen sowie Soziodemografie. Heraus kommt ein Wert, der die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der ein Kunde seine Bestellung bezahlen wird. Je nachdem, welchen Mindestwert der Händler festgelegt hat, bekommt ein Kunde automatisiert die Zahlarten Lastschrift und Rechnung angeboten – oder nicht.

Scoring im Zeitalter von Big Data

Die immer weiter fortschreitende Digitalisierung des Alltags – Stichwort Big Data – bringt auch in diesem Bereich neue Nutzungspotenziale hervor: Konsumenten hinterlassen in sozialen Medien Unmengen von Daten – über die eigene Person, den beruflichen Werdegang, das soziale Umfeld sowie über persönliche Vorlieben und Interessen. Viele dieser Informationen geben auch Hinweise auf die Kreditwürdigkeit der jeweiligen Person. Ist diese auf Facebook vor allem mit Akademikern befreundet? Gefallen ihr viele Seiten teurer Konsumgütermarken?

Konsumenten hinterlassen in sozialen Medien Unmengen von Daten, die Rückschlüsse auf ihre Kreditwürdigkeit zulassen. (Grafik: Fotolia / Gina Sanders)

Konsumenten hinterlassen in sozialen Medien Unmengen von Daten, die Rückschlüsse auf ihre Kreditwürdigkeit zulassen. (Grafik: Fotolia / Gina Sanders)

Vorreiter auf dem Gebiet dieses Social- oder Big-Data-Scoring ist das Hamburger Start-up Kreditech. Das Geschäftsmodell: Kreditech verleiht Geld an Konsumenten, auch an solche, denen eine Bank aufgrund eines negativen Eintrags bei einer Auskunftei keinen Kredit geben würde. Das Hamburger Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern und Tochtergesellschaften in neun Ländern gewährt diesen Personen Kleinkredite zwischen 50 und 500 Euro, wenn diese Einkommen sowie Arbeitgeber verraten und erlauben, das Web nach verschiedensten weiteren Informationen über den Antragsteller zu durchforsten. Algorithmen werten Datenspuren aus, die dieser in Webbrowsern, Datenbanken, sozialen Netzwerken und Plattformen wie Ebay und Amazon hinterlassen hat. Technische Daten über das verwendete Gerät fließen genauso in die Bewertung ein wie Merkmale der Facebook-Freunde und wie lange es dauert, bis das Antragsformular ausgefüllt ist.

In Deutschland hatte Kreditech die Vergabe von Krediten – auf die das Start-up 15 bis 30 Prozent Zinsen erhebt – bereits nach wenigen Wochen eingestellt, um einer von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) angekündigten Überprüfung des Geschäftsmodells zuvorzukommen. In anderen Ländern bietet Kreditech den Service jedoch weiterhin an und arbeitet parallel an einem zweiten Geschäftszweig: Ziel ist, eine internationale Scoring-Datenbank aufzubauen und auf deren Grundlage Bonitätsauskünfte insbesondere für E-Commerce-Unternehmen anzubieten. Ist das der Anfang vom Ende klassischer Scoring-Verfahren? Dass Social Scoring herkömmliche Methoden zur Bonitätsprüfung ablösen wird, ist derzeit nicht absehbar. Die bewährten Scoring-Methoden stützen sich zum größten Teil auf harte Fakten, auf tatsächliche Ereignisse in der Zahlungshistorie eines Kunden – diese Informationen werden auch weiterhin die Grundlage von Bonitätsprüfungen bilden.

Beim Social- oder Big-Data-Scoring ergibt sich aus rund 20.000 Datenpunkten ein Gesamtbild einer Person, aus dem sich ein aussagekräftiger Prognose-Wert über deren künftiges Zahlungsverhalten ableiten lässt. (Grafik: Fotolia)

Beim Social- oder Big-Data-Scoring ergibt sich aus rund 20.000 Datenpunkten ein Gesamtbild einer Person, aus dem sich ein aussagekräftiger Prognose-Wert über deren künftiges Zahlungsverhalten ableiten lässt. (Grafik: Fotolia)

Klassische Scoring-Anbieter werden jedoch die Möglichkeiten ausloten, ihre Verfahren um Social Scoring zu ergänzen. Dieses punktet insbesondere durch die Aktualität der Daten und die Analyse von tausenden Datenpunkten innerhalb kürzester Zeit. Damit bietet Social Scoring für klassische Anbieter nicht zuletzt eine Möglichkeit, die Anzahl von „False Positives“ zu reduzieren: Damit sind Kunden gemeint, die wegen fehlender oder veralteter Daten einen negativen Scoring-Wert erhalten, obwohl sie (wieder) uneingeschränkt kreditwürdig sind. Umgekehrt birgt Social Scoring auch das Risiko, Personen mit schlechter Bonität gut zu bewerten – dann, wenn sich jemand eine Art digitale Maske zugelegt hat und in den sozialen Netzwerken vorgaukelt, jemand zu sein, der er nicht ist. In Deutschland wird Social Scoring die etablierten Verfahren also eher ergänzen als ersetzen. Im internationalen E-Commerce sieht dies anders aus: Gibt es doch in vielen Ländern nichts, was mit der deutschen Schufa vergleichbar wäre. Dort könnte Social Scoring ein Weg für Händler sein, um überhaupt an kostengünstige Bonitätsbewertungen zu kommen.

Bonitätsprüfung bald durch Google?

Ohnehin ist es gut möglich, dass Bonitätsprüfungen im E-Commerce an Bedeutung verlieren werden, je mehr sich Zahlverfahren wie Paypal und Kreditkarte durchsetzen. Bei elektronischen Wallets wie Paypal würden die entsprechenden Anbieter über genügend Daten zum Zahlungsverhalten ihrer Kunden verfügen, um selbst für die Bonitätsprüfung sorgen zu können. Denkbar ist auch, dass Unternehmen wie Paypal, Apple oder Google selbst zu Anbietern von Bonitätsprüfungen werden  – sollten sich deren Payment-Lösungen breit durchsetzen.

Foto: istockphoto.com / Guido Vrola

Grafiken (3): Fotolia / peapop (1), Fotolia / Gina Sanders (1), Fotolia (1)

Autor Mirko Hüllemann ist Geschäftsführer der Heidelberger Payment GmbH.

Weitere Informationen: www.heidelpay.de

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