Crowdlogistik: Herausforderungen und Learnings | stores+shops

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Der erste Partner aus dem Handel, der mit dem Mitbring-Netzwerk kooperierte, war Ikea – weitere KMUs folgten. (Foto: Bringbee)

Crowdlogistik: Herausforderungen und Learnings

Der kollaborative Marktplatz Bringbee, der Anfang 2013 mit Crowd-Lieferungen von Kunden für Kunden in der Schweiz startete, hat ein Netzwerk von um die 2.000 Bringbees in allen größeren Schweizer Städten für sich gewonnen. Trotz erster Erfolge birgt Crowdlogistik noch viele Hürden, erklärt die Gründerin und Geschäftsführerin Stella Schieffer im rt-Interview.

Frau Schieffer, mit welchen Hürden kämpfen Sie am meisten?

Wir sehen, dass das Thema mit großem Interesse aufgenommen wird, aber haben das Gefühl, dass wir vielleicht noch etwas früh am Markt sind. Der Service hat sich zwar im Kleinen bewährt, aber die Bringbee- bzw. Mitbringer-Community wächst nur langsam und organisch und uns als selbstfinanziertes Startup fehlen Ressourcen. Auch fehlt die Unterstützung eines großen strategischen Partners aus dem Handel, der die notwendige Aufmerksamkeit, Masse an Transaktionen und Bringbees aus dem eigenen Kundenstamm effizient schöpfen kann. Solange das Konzept nur in der Innovationsschublade bleibt und interessiert belächelt wird, sehe ich keine Chance für Crowdlogistik auf dem Markt. Es braucht starke und große Partner und Investitionen, um so ein disruptives Modell umzusetzen.

Sind Ihre Erfahrungen ein Zeichen dafür, dass Crowdlogistik grundsätzlich nicht funktioniert? / Wo gibt es Verbesserungspotenzial?

Nein. Wir sind überzeugt, dass Crowdlogistik durchaus funktionieren kann und wird. Die Kunst ist es, gleichzeitig genügend Mitbringer zu rekrutieren, Kunden und relevante Handelspartner zu gewinnen, damit das System ins Rollen kommen kann. Ein großes Manko an Crowdlogistik ist heute, dass die Lieferung bisher nicht garantiert werden kann, da Mitbringer im System keine Angestellten, sondern „freiwillige Mitbringer“ sind. Um Kunden einen klaren Mehrwert zu versprechen, sehen wir eine Kooperation mit professionellen Transportdienstleistern kurz- und langfristig als ein sinnvolles Geschäftsmodell, sodass Lieferungen mit einem bestimmten Servicelevel wirklich garantiert werden können. Mitbring-Jobs könnten hierbei zum Beispiel für 24 Stunden exklusiv für die Bringbee-Community ausgeschrieben sein, danach könnten offene Mitbring-Jobs professionellen Dienstleistern zugewiesen werden.

Kann Crowdlogistik auch im Bereich Retouren für Händler von Vorteil sein? / Wie haben Sie Retouren bisher gehandhabt?

Bislang haben Kunden Artikel bei Bringbee bestellt und ein anderer Kunde hat die Artikel in der Filiale gekauft, bezahlt und samt Kassenzettel zur Wunschzeit mitgebracht. Der Kunde hat also nach der Lieferung den Kassenzettel und ist für etwaige Retouren- oder Produktbeanstandungen selbst verantwortlich. Der Vertrag kommt bei Bringbee zwischen zwei Privatpersonen zustande, nicht zwischen Unternehmen und Kunde, und muss gesondert zum klassischen E-Commerce und Fernabsatzgesetz betrachtet werden. Wir sehen Crowdlogistik somit als neue alternative Lieferoption oder einen neuen Multi-Channel-Ansatz, der Convenience, Corporate Social Responsibility und Kundenengagement verbindet.

Wie haben Sie die Kosten für Lieferungen bestimmt und von was hängen diese ab?

Die Kosten der Lieferungen haben wir für jeden Handelspartner und die unterschiedlichen Branchen individuell angepasst. Die Kostenfunktion ist vor allem abhängig vom Extra-Aufwand für Kommissionierung und Transport und muss in einem fairen Verhältnis zu den existierenden Lieferoptionen stehen. Im Fall der Kooperation mit Ikea haben wir mit einer Pauschale von 5 CHF plus 15 Prozent des Warenwerts gearbeitet, wobei wir jedoch die maximale Liefergebühr auf 50 CHF festgesetzt haben. Damit liegen wir noch weit unter dem Preis des professionellen Transportservice für Großeinkäufe, der bei etwa 90 CHF anfängt. Natürlich ließe sich das Preismodell mit dem Ausbau des Serviceangebots noch wesentlich verfeinern – so könnte es Zuschläge für Expresslieferungen oder Miete von Kühlboxen für Lebensmitteltransporte geben. Auch ist die Anbindung an Loyalty-Programme in Kooperation mit Händlern langfristig nicht auszuschließen. Warum sollten Mitbringer, die ja gleichzeitig die aktivsten Brand-Botschafter für Firmen sind, nicht durch Sonderangebote oder Discounts besonders von Ihrem Engagement profitieren?

Der Liefermarkt verdichtet sich. Eine Vielzahl neuer Dienstleister ermöglicht Zustellungen – ob Lieferungen in einer Stunde, Same-day Lieferungen, Zustellung per Lastenrad, Lieferungen an Paketstationen oder Abendlieferungen der Post. Wie sehen Sie hier die Positionierung von Crowdlogistik langfristig?

Die Positionierung wird definitiv nicht leichter und der Preiskampf nur härter. Langfristig sehe ich den Wettbewerbsvorteil und eine Nische für Crowdlogistik in der Auslieferung in Randgebiete und bei flexibleren Lieferfenstern auch tagsüber, abends oder am Wochenende. Professionelle Logistikanbieter sollten heute in Crowdlogistik investieren, um in Zukunft teure Fahrten mit geringen Stopp-Faktoren und Leerfahrten zu vermeiden sowie Kosten für Einzelfahrten außerhalb der regulären Schichten zu „crowdsourcen“.

Welche Hürden gibt es im Detailhandel zu überwinden? / Welche Erfahrungen haben Sie im Detailhandel gemacht?

Es gibt verschiedene Arten von Hürden bei größeren Detailhändlern im gesamten D-A-CH-Raum. Darunter befinden sich die unvollständige Verfügbarkeit von Stammdaten und Produktbildern, der Aufwand von technischen Anbindungen an bestehende IT-Systeme, fehlende Kapazitäten für die Unterstützung beim Marketing und Prioritätenkonflikte mit Projekten und Strategien, die das Budget für die nächsten 2-3 Jahre bereits blockiert haben – sicherlich auch ein Quäntchen Risikoaversität. Kurz: Bei großen Playern kann man in Europa mit Sales-Zyklen von mindestens 12-18 Monaten rechnen, eher noch länger bei so einem innovativen und interdisziplinären Konzept. Das ist ein erhebliches Problem für ein selbstfinanziertes Startup.

Wie sieht die Zukunft aus? / Können andere Trends wie Urbanisierung oder städtische Regulationen Konzepte wie Crowdlogistik in Zukunft unterstützen?

Ich denke, dass weitere Regulationen für Lieferverkehr und steigende Preise für Mobilität in Städten zukünftig ein Aufleben von City-Logistik-Projekten und -Konzepten wie Bringbee ermöglichen werden. Heute gibt es schon in verschiedenen deutschen Städten erste Beschwerden von Bürgern und politischen Parteien über zunehmenden Lieferverkehr und Kurier-, Express-, und Paketdienstleister, die in der zweiten Reihe parken. Der Schuh drückt aber noch zu wenig. Mit zunehmendem Verkehr und stadtplanerischen Problemen wird die Frage für Unternehmen und Kunden in den kommenden Jahrzehnten Bedeutung gewinnen: Liegt meine Priorität auf einer Ersparnis der Lieferzeit von einem Tag oder muss ich im Interesse einer lebenswerten und befahrbaren Stadt handeln?

Foto: Bringbee

Weitere Informationen: www.bringbee.ch

Das Interview führte Andreas Kruse, Director Business Development im Forschungsbereich Logistik & Packaging beim EHI Retail Institute. Kontakt: kruse@ehi.org

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