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Foto: DHL

Die letzten Zentimeter besser regeln

Andrej Busch, Chief Executive Officer der Deutsche Post-Tochter DHL Parcel Europe, über die Perspektiven des E-Commerce und das Optimierungspotenzial bei der Warenzustellung an den Endkunden.

Herr Busch, 2013 wurden von DHL Deutschland mehr als eine Milliarde Pakete und Päckchen versendet. Wie geht es weiter?

Wir haben das Potenzial, pro Jahr zwischen fünf und sieben Prozent zuzulegen. Das hängt natürlich davon ab, wie sich der E-Commerce insgesamt entwickelt und inwieweit es gelingt, neue Warenkategorien E-Commerce-fähig zu machen.

Zum Beispiel Lebensmittel.

Online-Lebensmittel sind so etwas wie die Königsklasse der E-Commerce-Logistik. Wir stehen hier vor drei großen Hürden: Erstens, wie bestellt man eigentlich, um den Warenkorb zusammenzustellen? Die zweite Hürde ist die Kühlung unterwegs. Und die dritte Hürde ist die einhundert Prozent sichere Zustellung an die Haustüre des Verbrauchers. Der Empfänger muss also zu Hause erreichbar sein. Bezüglich der ersten Hürde gibt es noch sehr viel technisches Potenzial. 80 Prozent der Lebensmittelkäufe sind Produkte, die wöchentlich immer wieder eingekauft werden. Der Einzelhandel könnte einen sehr hohen Nutzen bieten, wenn er diese Nachkauf-Prozesse digitalisiert und automatisiert.

Und die Kühlung unterwegs?

Wir sind momentan bei allyouneed.com dabei, den Frische-Anteil des Sortiments deutlich hochzufahren. Auch das Thema Tiefkühlware gehen wir in diesem Jahr noch mit Nachdruck an.

Apropos allyouneed.com: Warum machen Sie dem Handel mit einem eigenen Online-Lebensmittel-Portal Konkurrenz?

Wir setzen darauf, das Thema Online-Lebensmittel gemeinsam mit dem Handel voranzutreiben – auch indem wir Erfahrungen sammeln, von denen der Handel profitieren kann. Ich spüre keinen Gegenwind aus dem Handel.

Wie schnell wird der gesamte E-Commerce-Sektor nach Ihrer Einschätzung wachsen?

Ich denke, E-Commerce wird im Jahr 2020 einen Anteil von 20 Prozent am gesamten Umsatz im Einzelhandel erreichen. Tendenziell erwarte ich dabei eine weitere Spreizung zwischen Versorgungskauf und Erlebniskauf. Der stationäre Handel behält seine Bedeutung, wenn Emotion, Erlebnis und soziale Aspekte beim Einkauf im Vordergrund stehen.

Vor welchen zentralen Herausforderungen steht die E-Commerce-Logistik?

Eine zentrale Herausforderung ist sicherlich der Preis. Die Mehrwerte, die wir schaffen, die Infrastrukturen, in die wir investieren, binden natürlich Gelder. In Deutschland sind wir bei den Paketpreisen sehr Niedrigpreis-orientiert. Von daher ist der Begriff „Versandkostenfreiheit“ irreführend. Wir haben immer Versandkosten.

Reicht die Fortschreibung bestehender Logistiklösungen für die Zukunft aus?

Für uns kommt es darauf an, die letzten Zentimeter bis zum Endkunden – und nicht den letzten Kilometer – so zu regeln, wie der Kunde es erwartet. Die traditionelle Supply Chain reflektiert eine alte Logik, nach der Ware von hinten nach vorne durchläuft, wobei alle beteiligten Einheiten das Produkt aufnehmen und anforderungsgerecht verarbeiten müssen. E-Commerce dagegen ist vom Endkunden getrieben, es ist eine Demand Chain. Also müssen, von den Anforderungen auf den letzten Zentimetern ausgehend, die notwendigen Justierungen in der Wertschöpfungskette vorgenommen werden. Viele E-Commerce-Händler verstehen nicht, welches Instrument sie damit in der Hand haben, ihre Kunden zu loyalen Kunden zu machen.

Haben Pure Player die Paradigmen des Onlinehandels besser verstanden als Händler, die aus dem stationären Bereich kommen?

Natürlich nicht generell. Allerdings bearbeiten die Pure Player nur diesen einen Kanal, müssen ihn also optimieren und fokussieren daher deutlich stärker auf die Logistik. Für den Händler aus dem stationären Bereich ist der Online-Kanal ja nur ein zusätzlicher Vertriebsweg. Hier richten einige Händler ihr Geschäftsmodell sicherlich nicht mit der nötigen Konsequenz auf den Online-Kanal aus.

Wie kann die Zustellung auf den letzten Zentimetern optimiert werden?

Statistisch gesehen bekommt derzeit jeder Deutsche 12 Pakete pro Jahr. In Japan sind es 25 Pakete pro Jahr und pro Einwohner. Japan ist bei den Paketdienstleistungen ein sehr weit entwickeltes Land. Ein ein- bis zweistündiges Zeitfenster ist dort Standard – für Anlieferung und für Abholung. Das verstehen wir unter einer vom Endkunden ausgehenden Optimierung der Logistik. Der Kunde sagt uns, wann wir vorbeikommen dürfen.

Eine Alternative zur persönlichen Zustellung sind Paketkästen. Wie kommt DHL mit diesem Konzept voran?

Der DHL-Paketkasten wurde im Jahr 2013 in Ingolstadt pilotiert. Heute kann jeder Kunde in Deutschland, egal wo er wohnt, über die Website paket.de einen Paketkasten kaufen oder mieten. Das Konzept schafft zeitliche Unabhängigkeit, und ein weiterer großer Vorteil ist, dass diese Kästen auch für Retouren genutzt werden können. Sehr großes Potential sehe ich insbesondere bei den Besitzern von den Ein- und Zweifamilienhäusern, von denen es rund 20 Millionen in Deutschland gibt. Bis Ende 2014 wollen wir auch unser Packstations-Netzwerk weiter ausbauen. Schon jetzt bieten wir den Verbrauchern immer mehr modulare Packstationen an. Die größte steht am Frankfurter Hauptbahnhof mit fast 400 Fächern. Wir werden in diesem Jahr noch einmal 300 Stationen aufstellen, sodass wir Ende 2014 bei etwa 3.000 liegen werden.

Welche Bedeutung messen Sie dem Thema Same-Day-Delivery bei? In welchen Regionen und für welche Sortimente plant DHL, dieses Angebot zu forcieren?

Same-Day-Delivery bieten wir schon seit Jahren an. Das Konzept wird vorerst auf die Ballungsgebiete beschränkt bleiben, aber irgendwann auf breiter Basis kommen. Wenn künftig zum Beispiel 40 Prozent des Handelsumsatzes über den Versandmarkt abgewickelt werden, ist Same-Day-Delivery problemlos regelbar. Man braucht dazu nur ein regionales Fulfillment-Konzept und ein skaliertes Netz. In Tokio etwa werden schon heute alle Lieferungen am selben Tag zugestellt. Alles ist nur eine Frage der Menge und der Distanz.

In Japan ist es auch üblich, die Ware bei der Zustellung direkt zu begutachten. Der Auslieferer wartet und nimmt die Retouren gegebenenfalls wieder mit.

Mit „Post persönlich“ haben auch wir gerade einen neuen Dienst pilotiert. Dabei erkundigt sich der Zusteller im Auftrag von Verwandten oder Bekannten, ob zum Beispiel bei einem alleinstehenden Senior alles in Ordnung ist. Die Tatsache, dass wir überall präsent sind, eröffnet uns also die Option für vielfältige zusätzliche Services. Die Frage allerdings ist immer: Wer bezahlt das Ganze? Wenn ein Händler die direkte Retouren-Bearbeitung durch den Zusteller als differenzierendes Element für sich erkennt, können wir ihm dies anbieten.

Das Interview führten Winfried Lambertz, Andreas Kruse und Klaus Manz.   

Studie: Wie geht es weiter mit dem E-Commerce?

Die Deutsche Post DHL hat in ihrer Studie „Global E-Tailing 2015“ untersucht, wie sich  E-Commerce auf die Entwicklung der Logistik auswirkt.

Die Studie zeigt am Beispiel von vier Zukunftsszenarien, welche Rolle der elektronische Handel im Jahr 2025 spielen könnte und wie der grenzüberschreitende Onlinehandel das Konsumverhalten und damit die Handelswelt insgesamt verändern wird. Kurz zusammengefasst: Der Anteil von E-Commerce könnte je nach „offensiver Ausrichtung“ der Zukunftsbilder von derzeit 8 Prozent auf 20 – 40 Prozent wachsen. Die unterschiedlichen Zukunftsentwürfe basieren auf einer Analyse der wichtigsten Einflussfaktoren: von den Energie- und Rohstoffpreisen über technologische, politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen bis hin zu Handels- und Konsummustern. Betrachtet wurden weltweite Märkte in ausgewählten Industrie- und Schwellenländern.

Das erste Szenario geht davon aus, dass die heutigen Schwellenländer in 11 Jahren die weltweite Konjunktur antreiben und der Onlinehandel sich zum echten „Everywhere-Commerce“ entwickelt hat. Die Taktung der Konsumentenbelieferung hat sich rapide erhöht. Zustellzeiten im Expressversand liegen standardmäßig unter 24 Stunden und werden in Minuten gemessen. Ein weiteres Szenario beschreibt eine digitale Hochkultur, in der ein Großteil des Handels online abgewickelt und durch Avatare unterstützt wird.

Die Studie stellt die Zukunft des E-Tailings allerdings nicht nur innerhalb positiver Rahmenbedingungen dar, sondern skizziert auch die Entwicklung in einem kritischeren gesellschaftlichen Umfeld. So beschreibt zum Beispiel Szenario 4, wie sich der weltweite Konsum entwickelt, wenn die globale Konjunktur unter weiteren Finanzkrisen leidet und Energie- und Rohstoffpreise exponentiell steigen. In einem solchen Umfeld könnten sich bei den Konsumenten statt der „Alles-Neu“- in Zukunft eine Do-it-yourself-Mentalität und Tauschkultur herausbilden. Entsprechend zurückhaltend fallen bei diesem Szenario die logistischen Implikationen aus: wenig Volumenzuwachs, 10 Prozent Marktanteil des E-Commerce.

Allen Szenarien gemeinsam ist die Schlussfolgerung, dass der elektronische Handel weltweit an Intensität deutlich zunehmen wird. Die Deutsche Post DHL jedenfalls sieht sich durch die Studie in ihrer Strategie bestätigt, die E-Commerce-bezogenen logistischen Services kontinuierlich auszubauen.

Weitere Informationen: www.dpdhl.de/e-tailing

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