Treiber der Entwicklung des eigenen Angebots durch Hermes Transport Logistics (HTL) war die im Jahr 1986 formulierte Klimaschutzstrategie der Otto Group, zu der die Hermes Gruppe gehört. Diese sieht eine Halbierung der transport-, mobilitäts- und standortbedingten Kohlenstoffdioxid(CO2)-Emissionen bis zum Jahr 2020 vor. Die Basis bildeten der CO2-Ausstoß in Deutschland im Geschäftsjahr 2006/07 sowie die internationalen Emissionen im Geschäftsjahr 2008/09. Der Transportdienstleister orientiert sich für die Bereiche „Sea“ und „Air“ an der im März 2013 verabschiedeten DIN EN 16258 und entwickelte zusätzliche HTL- bzw. Otto-spezifische Faktoren zur CO2-Berechnung. Diese ermöglichen es, Einflüsse wie die Auswahl emissionsarmer Transportmittel abbilden zu können und resultierende Einsparpotenziale bei Emissionsberechnungen zu realisieren.

Warum ist die Bilanzierung sinnvoll?

„Viele Unternehmen und damit viele unserer Kunden verankern Nachhaltigkeit in ihrem Leitbild und ihrer strategischen und operativen Geschäftsaktivitäten“, berichtet Stephan Schiller, Geschäftsführer der HTL. Ziel sei es deshalb, die ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung miteinander in Einklang zu bringen. Immer mehr Kunden fordern Emissionswerte – am besten heruntergebrochen bis auf das Paket bzw. wie bei der Otto Group auf die Artikelebene. Ihnen liegt an transparenten und vergleichbaren Daten sowie Kennzahlen, die unter Umständen den Weg zu einem CO2-minimierten Transport weisen.

Immer mehr Kunden fordern Emissionswerte – am besten heruntergebrochen bis auf das Paket bzw. wie bei der Otto Group auf die Artikelebene.

Stephan Schiller

Geschäftsführer, Hermes Transport Logistics GmbH

Für die Branche eröffnen CO2-Bilanzen grundsätzlich Vergleichsmöglichkeiten. Allerdings ist bei einem unternehmensübergreifenden Vergleich der CO2-Emissionen zu berücksichtigen, dass es selbst innerhalb der Norm eine Vielzahl verschiedener Umrechnungsfaktoren gibt, die allesamt einen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Zudem beeinflusst das Verfahren der Datenerhebung – eigene Messwerte, kalkulatorische Werte oder ein Mittelweg daraus – die Ergebnisse.

Konkreter ist der Nutzen für den Logistikanbieter selbst, denn dieser kann nur mehr Effizienz bei der Reduzierung von CO2-Emissionen im eigenen Fuhrpark erreichen, wenn der tatsächliche Ausstoß der Treibhausgase bezogen auf verschiedene Fahrzeugeinsatz-Systeme – also Anzahl und Typen der eingesetzten Fahrzeuge – bekannt ist. „All dies bedeutet, dass ein Bilanzierungsstandard eine hohe Transparenz gewährleisten muss, um eine sukzessive Optimierung zu ermöglichen“, fasst Schiller zusammen.

Vergleichbare Emissionsberechnung

Das definierte Ziel der DIN 16258 wie auch der Bilanzierungsmethodik von HTL ist die Berechnung von Treibhausgasen für Transportdienstleistungen – über die gesamte Logistikkette und für alle eingesetzten Verkehrsträger. Ladungs- und Leerfahrten fließen ebenso in die Berechnung mit ein wie die Allokation der Emissionen auf Haupt- und Nebenprodukte, die aus einem gleichen Produktionsprozess hervorgehen. Das geht aus dem von der International Sustainability and Carbon Certification (ISCC) System GmbH herausgegebenen „ISCC 205 Berechnungsmethodik der THG-Emissionen und THG-Audit“ hervor. Auch sind der Energieverbrauch und die Treibhausgase als indirekte Emissionen durch die Erzeugung/Bereitstellung von Kraftstoffen in der transportlogistischen Vorkette (Well-to-Tank, WTT, Quelle bis Tank) als auch als direkte Emissionen beim Fahrzeugbetrieb (Tank-to-Wheel, TTW, Tank bis Lenkrad) darzustellen. Aus der Summe beider Größen ergibt sich in der CO2-Bilanz die Gesamtemission (Well-to-Wheel, WTW, Quelle bis Lenkrad). „HTL stellt aktuell nur die direkten Emissionen (TTW) dar“, erklärt Schiller. Dies hängt damit zusammen, dass der Transportdienstleister nur hier direkten Einfluss auf mögliche CO2-Einsparungen nehmen kann. WTW-Angaben sollen bei weiteren Optimierungen in Kürze umgesetzt werden.

„Durch die Verlagerung vom Flugzeug aufs Schiff können z.B. auf der Relation Frankfurt – Hongkong ca. 7,36 Tonnen CO2 pro Tonne Fracht vermieden werden“, sagt Moritz Gborglah, Head of Sea & Air Customer Service Germany. Im Inland bewirke die Verlagerung vom Lkw auf die Schiene, dass auf der Strecke Hamburg – München rund 48 kg CO2 eingespart werden.

„Durch die Verlagerung vom Flugzeug aufs Schiff können z.B. auf der Relation Frankfurt – Hongkong ca. 7,36 Tonnen CO2 pro Tonne Fracht vermieden werden“, sagt Moritz Gborglah, Head of Sea & Air Customer Service Germany. Im Inland bewirke die Verlagerung vom Lkw auf die Schiene, dass auf der Strecke Hamburg – München rund 48 kg CO2 eingespart werden.

Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Definition der sogenannten Fahrzeugeinsatzsysteme, auch Vehicle Operation Systems (VOS) genannt. Durch diese werden die Anzahl bestimmter Fahrzeuge eines gleichen Typs sowie die Länge von Auslieferungstouren in einer bestimmten Zeit festgelegt, um so den Kraftstoffverbrauch pro VOS zu berechnen. Bestimmt werden dabei fahrzeug- und routentypische Durchschnittswerte wie auch Flottenwerte, die mithilfe von definierten Faktoren in eine standardisierte Energieverbrauchseinheit und in Treibhausgasemissionen umgerechnet werden. Einzelheiten hierzu sind dem vom Deutschen Speditions- und Logistikverband e. V. herausgegebenen Leitfaden „Berechnung von Treibhausgasemissionen in Spedition und Logistik gemäß DIN EN 16258“ zu entnehmen. Dieses Vorgehen ermöglicht es, für jeden Verkehrsträger (Straße, Schiene, Wasser, Luft) und jeden Transportabschnitt die auf jedes Paket entfallenden CO2-Emissionen zu ermitteln.

Als Transportdienstleister ist sich HTL der Verantwortung für umweltgerechte Logistikkonzepte bewusst. Zum Beispiel ist Green Logistics, d.h. aktiver Klima- und Umweltschutz, seit jeher fester Bestandteil der Unternehmensstrategie. Dazu gehört auch das Hermes-Programm „We do!“ – mit Services für Auftraggeber des Unternehmens, z.B. einer standardisierten CO2-Bilanz für jeden Auftrag. Die hierzu entwickelte und DIN EN 16258 umsetzende Methodik von HTL hat den Anspruch, CO2-Emissionen ganzheitlich zu bilanzieren – und liefert bei der Berechnung von CO2-Äquivalent-Emissionsfaktoren zum Teil noch genauere Ergebnisse als die Standard-Umrechnungstabellen.

Für die Berechnung der CO2-Emissionen der Seefracht, die auf einem entfernungsbasierten Ansatz basiert, verwendet HTL verschiedene Datengrundlagen und Quellen. Da Seefracht ausschließlich in Containern transportiert wird, ergeben sich CO2-Emissionen aus der Ermittlung der „Twenty-Foot Equivalent Unit“ (TEU)-km und des Fahrgebietes, der sogenannten trade lane/ Handelsstraße. Anschließend werden die TEU-km mit einem spezifischen CO2-Faktor unter Berücksichtigung einer Standard-Schiffsauslastung multipliziert. Als Allokationseinheit wird die Einheit TEU-Kilometer verwendet. Die Anzahl TEU wird über das Transportmanagementsystem von HTL ermittelt, wodurch die tatsächliche Anzahl an TEU in die Berechnung einfließt.

„Für unsere Berechnungen werden aber nicht direkt die spezifischen CO2-Emissionswerte pro TEU-km verwendet, die die Clean Cargo Working Group (CCWG = eine Vereinigung von maritimen Logistikdienstleistern und ihren Kunden) veröffentlicht hat, sondern die dazu korrespondierenden Kraftstoffverbräuche“, schildert Schiller. Dies hat den Hintergrund, dass die spezifischen Verbrauchswerte  auch mit den in der Norm EN 16258 enthaltenen Energie- und CO2-Äquivalent-Emissionsfaktoren verknüpft werden können. Die Norm EN 16258 schreibt darüber hinaus explizit vor, dass auch die Auslastungen der Schiffe berücksichtigt werden müssen.

„Durch den Einsatz von Leichtbaucontainern in Faserverbundbauweise mit Kunststoff erreicht Hermes am Flughafen Leipzig im Vergleich zu den ansonsten genutzten Pendants aus Aluminium einen deutlich geringeren Verbrauch von Kerosin, weniger CO2-Emissionen damit höhere Reichweiten im Flugverkehr

„Durch den Einsatz von Leichtbaucontainern in Faserverbundbauweise mit Kunststoff erreicht Hermes am Flughafen Leipzig im Vergleich zu den ansonsten genutzten Pendants aus Aluminium einen deutlich geringeren Verbrauch von Kerosin, weniger CO2-Emissionen damit höhere Reichweiten im Flugverkehr", erläutert Sina Gado, Supervisor Airfreight Gateway.

Die Berechnung der Emissionen im Luftfrachtbereich wird bei HTL analog der Berechnung im Seefrachtbereich durchgeführt. Unterscheidungsmerkmal ist jedoch der verwendete CO2-Faktor, da dieser in einer eigenen Daten-Matrix jährlich berechnet und aktualisiert wird. Die Emissionsberechnung für Luftfrachtsendungen basiert somit ebenfalls auf einem entfernungsbasierten Modell, bei dem mittels spezifischer Verbrauchsdaten pro Flugkilometer und der Flugentfernung der Kerosinverbrauch des Flugzeuges ermittelt wird. Dieser wird in einem zweiten Schritt über das Sendungsgewicht auf die einzelnen Sendungen aufgeteilt und mit dem Emissionsfaktor in CO2 umgerechnet. „Da uns die zur CO2-Berechnung der Luftfracht benötigten Informationen nicht vollständig zur Verfügung stehen, treffen wir in der Modellierung bestimmte Annahmen, z. B. hinsichtlich der Streckenführung, des Flugzeugtyps, der Treibstoffeffizienz des eingesetzten Flugzeugtyps, sowie der Kapazität und der Auslastung der Flugzeuge“, erläutert Schiller. Beispielsweise wird für die Boing 747 angenommen, dass 60 Prozent des Sendungsgewichtes mit der Frachtversion B747F und 40 Prozent mit der Passagiermaschine B747 transportiert wird.

Für die jeweiligen Auslastungsgrade pro Flugstrecke wird auf die Daten der ECOTransIT World zurückgegriffen, die weltweit über verschiedene Verkehrsträger deren jeweilige Umweltwirkungen ermittelt. Das tatsächliche Gewicht der Auftragsposition wird im Transportmanagementsystem von HTL ermittelt, in dem auch die Informationen zum Auftragstyp, zum Start- und zum Zielflughafen sowie zur Entfernung einschließlich eines Aufschlags für Umwege pro Flugstrecke hinterlegt sind. Der Kerosinverbrauch wird durch die Europäische Umweltagentur (EEA) je Flugzeugtyp für bestimmte Distanzen herausgegeben und von HTL zur CO2-Berechnung herangezogen. In Anlehnung an die DIN EN 16258 wird als CO2-Umrechnungsfaktor (Tank-to-Wheel) der Wert 3,15 (Norm: 3,18) kg CO2 pro kg Kerosin verwendet.

Hermes hat im Jahr 2010 unter dem Slogan „We do!“ ein Umweltlogo präsentiert, das den gesamten Umweltschutz des Unternehmens unter einer Marke bündelt: Die Kampagne hat das Ziel, die CO2-Emissionen entlang der gesamten Logistikkette dauerhaft zu reduzieren.

Hermes hat im Jahr 2010 unter dem Slogan „We do!“ ein Umweltlogo präsentiert, das den gesamten Umweltschutz des Unternehmens unter einer Marke bündelt: Die Kampagne hat das Ziel, die CO2-Emissionen entlang der gesamten Logistikkette dauerhaft zu reduzieren.

Im Straßentransport hat HTL täglich etwa 4.000 Aufträge mit knapp 2.000 Fahrzeugen – Trailer und Wechselaufbauten – zu bewältigen. Die Ermittlung erfolgt hier über das jeweilige Transportmanagement, das Transportdaten liefert. Ein externer Server berechnet die CO2-Emissionen und spielt sie zurück, sodass diese durch HTL-eigene Schlüsselungslogiken weiterverarbeitet werden können. Als Allokationseinheit für die Kalkulation der CO2-Emissionen wird die Einheit Tonnenkilometer (tkm) verwendet. Das Gewicht der Auftragsposition wird im Transportmanagementsystem ermittelt und die Entfernung zwischen Start- bzw. Empfangsort über Google-Maps berechnet. Um den spezifischen Kraftstoffverbrauch pro Lkw zu ermitteln, hat HTL ein Standard-Fahrzeugprofil definiert, das für den Durchschnitt der Flotte steht. Mithilfe von Tabellen im „Emission Factors for Road Transport (HBEFA)“-Handbook lässt sich zu diesem Fahrzeugprofil der zugehörige Verbrauch auf bestimmten Distanzen ermitteln. Als Ladegewicht pro Tour wird ein Wert von 10 Tonnen angesetzt. Das Sendungsgewicht wird aus der Auftragsposition des See- oder Luftfrachttransports übernommen und ergibt im Verhältnis zum Gesamtladungsgewicht den Auslastungsgrad. Der Emissionswert in kg CO2 pro tkm ergibt sich aus der Emissionsberechnung über das Route-Serversystem bei Hermes. Dieses berücksichtigt die Einsatzumgebungen der Fahrzeuge und verfügt über die aktuellen HBEFA-Daten zur Berechnung von CO2-Emissionen im Straßentransport. Bereits seit dem Jahr 2010 – also vor Inkrafttreten der Norm – ist die Berechnung durch den TÜV Süd für den WAB-Bereich zertifiziert. Hier bietet HTL auf jeder Rechnung jeden Tag den aktuellen CO2-Wert an – bei einer Million Transportaufträgen pro Jahr eine Herausforderung.

Das Transportmanagementsystem von HTL ist von seinen Funktionalitäten her primär auf die Steuerung von Transporten ausgelegt und nicht auf die Berechnung von CO2-Emissionen im Gesamten oder gar auf Auftrags-, Paket- oder Artikelebene. Parallel zur Entwicklung der Methodik der Treibhausgas-Bilanzierung erfolgte daher der Aufbau einer technischen Konzeption, die es ermöglicht, auf in sich konsistente Daten zuzugreifen. Hierzu hat HTL eine Data-Warehouse-Lösung konzipiert, die im Rahmen der CO2-Bilanzierung die vorhandenen Informationen im Transportmanagementsystem nutzt. Dadurch ist eine Kalkulationsgrundlage gegeben, die es ermöglicht, anhand der Eigenschaften des Transportmittels und der Parameter des Transportwegs CO2-Emissionen zu berechnen und die Daten für verschiedene Auswertungen bereitzustellen.

Die DIN EN 16258 ist eine empfohlene, aber keine verpflichtende Norm im Sinne einer Richtlinie. Transportdienstleistern steht es also frei, die logistikbedingten Emissionen von Treibhausgasen zu berechnen und zu kommunizieren. Einer Mehrzahl der Kunden und Verbraucher ist die CO2-Bilanzierung nach Angaben von HTL jedoch wichtig. Emissionscontrolling wird bei dem Transportdienstleister daher auch in Zukunft eine große Rolle spielen – über die gesamte Transportkette von der Importlogistik bis zur Distribution.

Fotos (5): Hermes

Autor Dirk Heyden arbeitet als Fachjournalist in Weinheim.

Weitere Informationen: www.logistics-hermes.de