Was war die Initialzündung für Ulmart?

Vor sechs Jahren haben Marktführer im E-Commerce noch versucht, online bestellte Artikel an der Haustür von Kunden in Russland abzuliefern. Damit kämpften aber selbst auf Home Delivery spezialisierte Anbieter, weil es in Russland zwar großartige Eisenbahnlinien, doch kein verlässliches System für die Letzte Meile gibt. In den allermeisten Fällen war es nicht einmal möglich, ein unbedenkliches Produkt wie etwa ein Kochbuch zu einem russischen Online-Shopper zu befördern, sodass Amazon und Ebay dem logistisch minder entwickelten Russland den Rücken kehrten. Ulmart haben wir daraufhin vor sechs Jahren bewusst als einen Online-Händler positioniert, bei dem rund 75.000 standardisierte Produkte über 7 stadtnahe Fulfillment-Center bestellt und abgeholt werden können.

Wie wird das Angebot angenommen und an welchen Standorten?

Ulmart ist heute in seinem Heimatmarkt in 200 Städten und 13 Regionen vertreten. Kunden kommen in ein Fulfillment-Center oder in eine Pick-up-Station, beispielsweise in St. Petersburg, um Produkte abzuholen, die sie über die Website oder am „E-tails“-Monitor im Fulfillment-Center bestellt haben. Dies verschafft unseren Kunden kürzere Wege und mehr Zeit für andere Dinge, als wenn sie – etwa wegen eines neuen Sofas – die Anfahrt zu unterschiedlichen, weit voneinander entfernten Möbelhäusern auf sich nehmen müssen.

Verglichen mit dem Vorjahr hat sich die Struktur aller bei Ulmart getätigten Käufe im ersten Halbjahr 2014 verändert. Welche Entwicklungen sind dabei erkennbar?

Umsatzanteile, die auf Computer entfallen, sind von 46,1 auf 40 Prozent gesunken und solche, die auf digitale Produkte und Apparaturen entfallen, gingen langsam von 21,4 auf 20,8 Prozent zurück. Demgegenüber stiegen Umsatzanteile, die auf sogenannte Consumer Applications entfallen, von 31,6 auf 33,4 Prozent. Umsatzanteile, die dem DIY-Bereich, Waren für Kinder und Gütern für Automobile zuzurechnen sind, stiegen in Summe von 0,8 auf 6 Prozent. Von insgesamt 13,2 Millionen registrierten Nutzern sind 8,2 Millionen aktive Nutzer und werden ungefähr 50.000 Bestellungen täglich aufgegeben. Daneben liefern wir täglich bis zu 2.000 Bestellungen an Kunden aus, die für diesen Service bereit sind zu bezahlen. Aber wir jagen nicht den Home-Delivery-Drachen.

Warum sind Sie sicher, dass es noch Steigerungspotenzial gibt?

Die Situation im russischen Markt ist eine andere als zum Beispiel im deutschen Markt. Bei uns gibt es keine Kaufhäuser im vergleichbaren Stil, die durch ihr Angebot mit uns im Wettbewerb stehen. Komplex genug ist dafür bereits die bestehende Produktvielfalt. Wir haben daher entschieden, unser – eher konservatives – Angebot auf Artikel in standardisierten Größen auszurichten, sodass Kunden schnell sicher sein können, dass die bestellte Ware passt, und sie weniger Zeit für deren Auswahl benötigen. Momentan bestellen russische Kunden online, sowohl in Moskau – wobei die Stadt immer noch wächst – als auch in kleineren Regionen. Menschen schauen sich über ihre Smartphones sowie Tablets nach Produkten um und werden diese zunehmend auch darüber bestellen.

Sie möchten Konsumenten das Leben langfristig leichter machen. Was ist für die Zukunft geplant?

Wir werden in jedem Fall unserem Grundsatz treu bleiben, dass keine Artikel in das Sortiment aufgenommen werden, die in der Logistik Komplikationen verursachen können. Das bedeutet: Falls wir jemals Nahrungsmittel verkaufen sollten, würde es wohl auf ein Protein-Pulver hinauslaufen, weil dieses während des Transports nicht schlecht werden kann. Vorstellbar wäre, dass nach Produkten aus Kategorien wie Elektronik oder digitalen Geräten auch solche aus den Bereichen DIY, Spielwaren für Kinder, Satellitenschüsseln für den Fernsehempfang, digitale Musik und digitale Bücher ins Sortiment eingehen. Künftig werden wir unseren Schwerpunkt mehr auf Produkte mit höheren Margen legen. Binnen der nächsten drei Jahre soll Ulmart zum Treiber im russischen E-Commerce werden. Und wer weiß, ob andere Online-Händler künftig nicht sogar unserem Modell folgen?

Portraitfoto: EHI / Schoplick

Fotos (4): Ulmart

Das Interview führte Martina Monsees.

Weitere Informationen: www.ulmart.ru

Zur Bildergalerie vom Fulfillment Kongress 2014: www.fulfillment-kongress.de