Nikias Klohr stehen harte Zeiten bevor: Der Unternehmensgründer wird Vater. Seine Frau möchte weiter in ihrem Beruf als Ärztin arbeiten, und auch Klohr kann sein „Baby“, die Firma Jatuso in Karlsruhe, nicht alleine lassen: Wer soll sich künftig um den Familieneinkauf kümmern? Der 29-jährige Diplom-Ingenieur hat die Antwort schon parat. Sein Unternehmen entwickelt und vermarktet eine innovative Bestell-Lösung für Dinge des täglichen Bedarfs. „Lebensmittel bestellen muss einfacher werden“, findet Klohr. Sein Ansatz: Handelsunternehmen, die Lieferservice bieten möchten, erhalten bei Jatuso spezielle Barcode-Scanner, die sie an ihre Kunden ausgeben. Die weckergroßen Geräte steckt man zu Hause in die Steckdose. Alternativ kann auch das iPhone mit einer mobile App zum Bestellterminal aufgerüstet werden.

Um Produkte zu ordern, wird einfach der Barcode von der Verpackung eingelesen. Scannt ein Kunde ein Fremdprodukt, das der beliefernde Händler gar nicht führt, unterbreitet ihm das Gerät sogar Alternativvorschläge, beispielsweise die eigene preisgünstige Handelsmarke anstelle der fremden Discounterware. Die eingescannten Produkte können über mehrere Tage gespeichert und dann als gesammelte Bestellung per Mobilfunk an den Händler übermittelt werden. Nikias Klohr ist überzeugt davon, dass sich der Lieferservice vor allem für Anbieter im Umkreis von fünf bis zehn Kilometern zum Kunden rechnet, sonst wird die Logistik zu aufwendig. „Derzeit sprechen wir mit fast allen großen Unternehmen“, so Klohr. 2011 werden bundesweit bereits die ersten Pilotprojekte anlaufen.

Lebensmittel bestellen muss einfacher werden.

Nikias Klohr

CEO, Jatuso, Karsruhe

Den Barcode nutzt auch Benjamin Thym von der Checkitmobile GmbH als Basis für mobiles Marketing. Sein Unternehmen entwickelt mobile Produkt- und Preisvergleiche für Handy und Smartphone. Die mobilen Apps Woabi und Barcoo des Berliner Start-ups bringen es zusammen auf über 1,5 Mio. Nutzer. Wer sich die kostenlosen Programme herunterlädt und dann per Handy-Kamera im Laden Produkt-Barcodes abfotografiert, (alternativ EAN, ISBN o.Ä. eintippt), erhält sekundenschnell die zugehörigen Preis- und Produktinformationen aufs Display. Woabi (woanders billiger) spricht mit mobilen Preisvergleichen vor allem Schnäppchenjäger an. Teilweise können die Produkte auch gleich mobil geordert werden, beispielsweise bei Schlecker.de.

Frecher Werbespot

Barcoo bietet zusätzliche Informationsmöglichkeiten für kritische Konsumenten. „40 Prozent der Kunden stufen sich bei Umfragen als kritisch ein, allerdings fehlten ihnen beim Einkauf bisher oft relevante Angaben“, so Thym. Abhilfe schafft Barcoo unter anderem mit einer „Nachhaltigkeitsampel“. Auf der Basis unabhängiger Studien zeigen Ampelfarben an, wie gut Produkte oder Hersteller in puncto soziale Verantwortung und Umweltverträglichkeit abschneiden. Auch persönliche Kommentare anderer Kunden werden laut Chef-Entwickler Thym intensiv genutzt. „Die Kunden kommen heute mit einer Informationswaffe in der Hosentasche ins Geschäft“, kommentiert Olaf Schrage, IT-Leiter bei Douglas, solche Shopping-Apps.

Das veränderte mobile Informations- und Kommunikationsverhalten der Kunden können Unternehmen auch ganz gezielt für kreatives mobiles Marketing nutzen. Checkitmobile bietet Händlern und Markenherstellern beispielsweise die Möglichkeit, Werbung orts- und anlassbezogen zu platzieren. Beispiel: Ein Kunde scannt beim Einkaufen ein Produkt von Baumarkt A und bekommt daraufhin einen frechen Werbespot von Baumarkt B gezeigt. Oder er interessiert sich für einen Softdrink und erfährt automatisch, wann in seiner Nähe die nächste Promotionaktion dieser Marke stattfindet.

Mit solchen Location Based Services (LBS) möchte auch die Berliner Servtag GmbH Geld verdienen. Firmengründer Florian Resatsch entwickelte Friendticker, ein mobiles soziales Netzwerk. Registrierte Nutzer können sich bei Friendticker per Handy bundesweit an vielen Standorten von unterwegs aus „einchecken“ und so Freunden und Bekannten ihren aktuellen Aufenthaltsort anzeigen. Rund 100 Unternehmen – beispielsweise Bars, Restaurants, Hotels und Geschäfte – haben 2010 die Plattform schon für lokale Marketing- Kampagnen genutzt: Kunden, die nicht nur persönlich vorbeikommen, sondern dies auch auf Friendticker kommunizieren, werden dafür mit Gutscheinen, Geschenken und Rabatten belohnt. Oder sie gewinnen einen Ehrentitel für die meisten Check-ins („Unser Präsident im Dezember 2010“).

Auch US-Internetgrößen wie Facebook oder Google investieren massiv in eigene LBS-Angebote. Datenschutzbedenken, wie sie in Deutschland hinsichtlich Handy-Ortung und des Umgangs mit personenbezogenen Daten weit verbreitet sind, scheinen US-Kunden kaum zu plagen. Dort laden sich Smartphonebesitzer Apps wie Shopkick herunter. Mit diesem Zusatzprogramm werden sie per Handy bei jedem Einkauf in angeschlossenen Geschäften automatisch identifiziert und können so Bonuspunkte sammeln.  

Das App Blippy sorgt gar dafür, dass persönliche Einkäufe automatisch auf Facebook veröffentlicht und dort von anderen Nutzern begutachtet und kommentiert werden. Blippy wertet dazu die persönlichen Kreditkartendaten aus. Für Deutschland ein eher unwahrscheinliches Zukunftsszenario – auch, wenn Agenturen und Händler das „Social Shopping“ durchaus positiv beurteilen: „Social Shopping und Empfehlungsmarketing sind fester Bestandteil des Commerce-Prozesses geworden“, meint zum Beispiel Joachim Bader, Geschäftsführer der Agentur Clanmo in München. Das Unternehmen entwickelt mobile Kampagnen und Apps für renommierte Handelsunternehmen und Dienstleister, darunter die Deutsche Lufthansa, Ikea, Schiesser oder der Online-Shop herrenausstatter.de. Dass Bewertungsportale wie Blippy die mobile Welt erobern, bezeichnet der M-Commerce-Experte als „logischen Schritt im Rahmen der digitalen Strategie“.

Allerdings bliebe angesichts der Vielzahl von konkurrierenden Apps fraglich, welche Anwendungen sich am Ende auf breiter Front durchsetzen und von den Kunden intensiv genutzt werden. Der Trend zur Informationswaffe ist aber nicht mehr zu stoppen. Baders Fazit: „Für den Handel bedeutet das einen weiteren – kleinen – Schritt hin zur völligen Preis- und Leistungstransparenz.“

Foto: Online Software

Die Rewe Nüsken App

Rewe Nüsken mit Firmensitz in Kamen stellt seinen Kunden ein kostenloses Programm für das iPhone zur Verfügung, über das Produktinformationen mobil am Regal abrufbar sind. Der Kunde kann sich auf dem iPhone Informationen zu Weinen, zu Inhaltsstoffen oder zu Gewürzen anzeigen lassen. In Zusammenarbeit mit Online Software hat Rewe Nüsken seine bestehende Lösung „Prestige Enterprise“ um diesen mobilen Service erweitert, das mobile Programm steht kostenlos zum Download zur Verfügung.