Digitale Informationssysteme gehören inzwischen zum Alltag. Auch im Handel wird der Einsatz digitaler Instore-Kommunikation viel diskutiert und gilt als ein Schwerpunkt für kommende Investitionen. Und dennoch: Flächendeckende Implementierungen im Einzelhandel sind rar, obwohl die Erkenntnis allgemein bekannt und akzeptiert ist, dass der Einsatz von Bildern und Videos am Point of Sale zu Umsatz- und Ertragsteigerung führt. Zwar experimentiert eine wachsende Zahl von Händlern mit der Technologie, doch haben bisher nur wenige Einzelhandelsunternehmen Strategien für den Einsatz der Instore-Medien entwickelt und umgesetzt.  

Als eines der ersten europäischen Handelsunternehmen hatte der britische Lebensmittelfilialist Tesco ein eigenes, flächendeckendes Instore-TV-System aufgebaut, dieses allerdings 2009 – fünf Jahre nach der Einführung – wieder abgeschafft. Die Supermarktkette begründete ihre Entscheidung damit, dass die technische Ausstattung „veraltet sei und zu viel Energie verbrauche“. Der Schritt dürfte jedoch weniger aus Gründen des Umweltschutzes erfolgt sein als vielmehr aufgrund eines grundsätzlichen Problems bei der Vermarktung der Werbezeiten. Denn tatsächlich konnte Tesco TV die hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllen und hatte nie genügend Werbekunden.

Tesco musste Lehrgeld zahlen

Nach Informationen des Beratungsunternehmens Planet Retail klagen auch andere große europäische Einzelhändler darüber, dass die Hersteller von Markenprodukten nicht genügend Geld in digitale Instore-Werbung stecken, wohingegen die US-Einzelhandelsketten einen erheblichen Teil ihres Umsatzes durch den Verkauf von Werbeflächen und -zeiten an Markenhersteller erzielen.

Tesco hat sein Instore-TV-System fünf Jahre nach der Einführung wieder abgeschafft

Walmart hat digitale Instore-Medien in allen VS-Filialen implementiert

Doch es gibt noch andere Gründe für das Scheitern von Tesco TV. Als Tesco TV an den Start ging, verfügte Tesco praktisch über keine Erfahrung mit der neuen Technik und keine Erkenntnisse zur Verbraucherakzeptanz. Viele Kunden empfanden Tesco TV nach eigener Aussage als zu aufdringlich, insbesondere wenn Ton eingesetzt wurde. Hinzu kam, dass die Inhalte nicht an die Supermarkt-Umgebung angepasst waren, in der die Kunden nur eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne haben.  

Dennoch stellt Tesco die Nutzung von Werbebildschirmen in seinen Filialen nicht vollständig ein. So finden sich heute in der Elektronikabteilung und den Erholungsbereichen nach wie vor große Flachbildschirme mit Produktwerbung und Infotainment-Inhalten. Nach zweijähriger Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, bei der 10 Mio. US-Dollar investiert wurden, stellte der US-Einzelhandelsriese Walmart im September 2008 sein Instore-Kommunikationssystem vor. Bis Anfang 2010 wurde das System mit insgesamt gut 27.000 Bildschirmen in allen US-Filialen flächendeckend implementiert.

Branchenmaßstab

Walmart hat digitale Instore-Medien in allen VS-Filialen implementiert

Das Projekt war von Anfang an ein großer Erfolg. Auf der Digital Signage Expo in Las Vegas Anfang 2010 erklärte der Creative Director von Walmart, Andy Johnson, dass das System in den vergangenen 18 Monaten bei vielen beworbenen Produkten zu signifikanten Absatzsteigerungen geführt hatte. Nach Aussage Johnsons bewerteten auch die Kunden das System positiv. Aus den Zahlen gehe hervor, dass nicht nur der Absatz einzelner beworbenen Produkte gestiegen sei, sondern auch der Umsatz der entsprechenden Produktkategorie, von um 7 Prozent bei Elektronik bis zu um 28 Prozent bei Kosmetikprodukten.

Viele Unternehmen haben die Chancen von digitalen Instore-Medien noch nicht erkannt.

Joachim Pinhammer

Senior Retail Technology Analyst, Planet Retail

Dieses Modell lässt sich nicht ohne Weiteres auf die europäische oder deutsche Einzelhandelslandschaft übertragen. Manche Unternehmen hierzulande sind einfach nicht groß genug, um eine solche Werbeplattform zu bieten. Allerdings haben auch viele Markenhersteller die Chancen des neuen Mediums noch nicht erkannt. Dies könnte sich ändern, wenn große Einzelhandelsketten das Thema aufgreifen und in die Lieferantengespräche einbeziehen.

Europa zieht nach

Die Rewe-Gruppe verspricht sich von digitaler Instore-Werbung positive Werbeffekte

Das größte zusammenhängende Instore-TV-Projekt im deutschen Lebensmittelhandel betreibt derzeit Rewe. Nach ersten positiven Erfahrungen aus Feldversuchen in 6 Filialen startete die Gruppe im April 2010 mit der großflächigen Pilotierung digitaler Instore-Kommunikation in ihrer Region Mitte. Beginnend im Großraum Frankfurt wurden bis Ende 2010 insgesamt 480 Märkte mit circa 2.600 großflächigen LCD-Bildschirmen ausgestattet.  

Rewe erwartet von dem langfristig angelegten Test tiefer gehende Erkenntnisse über die tatsächlichen Potenziale dieses Kommunikationsmediums. Jens Siebenhaar, Vorsitzender der Geschäftsführung der Rewe-IT-Tochter RIS, verspricht sich vor allem positive Effekte bei der Markenkommunikation, bessere Abverkäufe beworbener Produkte und Produktgruppen sowie allgemein ein angenehmeres Einkaufserlebnis für die Kunden im Markt. Im Schnitt kommen bei Rewe je Filiale 6 Bildschirme zum Einsatz. Siebenhaar stellte erste Ergebnisse aus dem Test für Anfang des Jahres 2011 in Aussicht. Auch Ratio betreibt in seinen 12 Einkaufszentren und 2 Fachmärkten seit Anfang August ein System der digitalen Instore-Kommunikation. Alle POS-Werbemedien, also Plakatdruck, Flachbildschirme und Waagendisplays sind hierbei in einem zentralen System integriert.  

Im europäischen Raum befinden sich zahlreiche weitere Pilotprojekte im Test. Die Einzelhändler setzen inhaltlich meist auf eine Mischung aus Verkaufsförderung, Produktinformationen und Imagepflege. Die Produktion und Zusammenstellung der Inhalte wird in den meisten Fällen an darauf spezialisierte Dienstleister ausgelagert. Einige davon haben sich auf Inhalte für lokale Märkte oder Marktsegmente spezialisiert. Dank dieser Angebote können auch kleinere Marktteilnehmer auf den Instore-Medien-Zug aufspringen.

Foto (1): Georg Lukas