China: Kopfüber ins Smartphone-Zeitalter | stores+shops

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Die Chinesen haben die Kartenzahlung praktisch übersprungen und sind gleich beim Bezahlen mit dem Smartphone gelandet. (Foto: Fotolia/WONG SZE FEI)

China: Kopfüber ins Smartphone-Zeitalter

Während deutsche Verbraucher auf Bargeld und Kartenzahlung setzen und mobile Bezahlverfahren noch selten sind, ist in China das Bezahlen mit dem Smartphoneweit verbreitet. Einen empirischen Vergleich des Zahlungsverhaltens in diesen beiden Ländern sowie Erklärungsfaktoren für die unterschiedliche Entwicklung liefert ein Forschungsprojekt von Bundesbank und Partnern aus der Wissenschaft.

Wie in Deutschland und in den städtischen Metropolen Chinas bezahlt wird, zeigt und analysiert ein gemeinsames Forschungsprojekt von Mitarbeitern der Bundesbank, der Academy of Internet Finance der Zhejiang Universität Hangzhou, des House of Finance der Universität Frankfurt und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ. Hierfür wurden in einer kleinen Felderhebung unter Händlern in drei chinesischen Großstädten eigene Daten erhoben sowie auf bestehende Studien zum Beispiel des EHI Retail Institute und die Zahlungsverhaltensstudie der Bundesbank zurückgegriffen.

Die Ergebnisse für China sind eindeutig: Sowohl im E-Commerce als auch im stationären Einzelhandel sind Alipay – als Teil der Alibaba Unternehmensgruppe – und Wechat Pay des zu Tencent gehörenden Zahlungsdienstleisters Tenpay die mit Abstand beliebtesten Bezahlmethoden. Während die beiden Anbieter bei den befragten Händlern in drei chinesischen Metropolen bis zu 60 Prozent Marktanteil erreichen, spielen Bargeld und Karten – in in Deutschland Zahlungsmittel erster Wahl – nur eine untergeordnete Rolle.

In China kam es zum Phänomen des „Leapfrogging“, das heißt Teile der Verbraucher als auch der Händler haben Kartenbezahlsysteme quasi „übersprungen“ und sind direkt vom Bargeld zum mobilen Bezahlen gewechselt. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass Bargeld insbesondere in ländlichen Regionen deutlich verbreiteter ist und voraussichtlich auch in den Metropolen aufgrund von Vorteilen wie der Unabhängigkeit von technischer Infrastruktur weiter genutzt werden wird.

Bezahlfunktion als Mehrwert

Die Faktoren für den Erfolg dieser Drittanbieter sind vielfältig. Befragte Händler nannten als Gründe für die Nutzungbequeme, sichere und schnelle Abwicklung sowie relativ geringe Gebühren. Ein weiterer Vorteil sind relativ niedrige Investitionskosten, da im Prinzip ein mobiles Endgerät wie ein Smartphone oder Tablet und Internetzugang ausreichen. Die Kunden wiederum schätzen den Mehrwert durch ein „Ökosystem“, das sie mit Dienstleistungen für die verschiedensten Lebensbereiche unterstützt inklusive bequemen und schnellen Bezahldiensten als integrierter Teil. Alle Dienste sind sowohl bei Alipay als auch bei Wechat über eine einzige Smartphone-App zugänglich.

Neue Anbieter von Zahlungsdiensten stehen vor der Herausforderung, eine kritische Masse an Nutzern sowohl auf Kunden- als auch auf Händlerseite zu erreichen. Dies gelang den beiden chinesischen Anbietern relativ leicht: So war Wechat als Messenger bereits auf vielen Smartphones etabliert, sodass die Hemmschwelle für Nutzer geringer war, mit der Anwendung auch zu bezahlen. Alipay wiederum wurde Mitte der 2000er gemeinsam mit dem E-Commerce groß, im Zuge dessen Alibaba auf den eigenen Shopping-Websites Alipay als Bezahlverfahren einführte, während chinesische Banken zunächst keine adäquate Alternative für das Bezahlen im Internet anbieten konnten. Später nutzten die Kunden den ehemals reinen Online-Bezahldienst Alipay dann bereitwillig auch an der Ladenkasse.

Sicherheitsbedenken in Deutschland

Die große Nutzerbasis machte es wiederum für die Händlerseite attraktiv, diese mobilen Bezahlverfahren zu akzeptieren. Darüber hinaus zeigen Umfragen, dass chinesische Kunden bereitwilliger als beispielsweise deutsche Kunden Unternehmen ihre persönlichen Daten anvertrauen, was dem Geschäftsmodell von Alipay und Wechat entgegenkam.

Im Gegensatz dazu steht das mobile Bezahlen in Deutschland noch am Anfang. Nach der im Februar 2018 erschienenen Zahlungsverhaltensstudie der Bundesbank ist das Bezahlen mit einem mobilen Endgerät im Ladengeschäft zwar 70 Prozent der Befragten bekannt, nur 2 Prozent haben es aber bereits genutzt. Etwas verbreiteter ist mit 5 Prozent das Versenden von Geld an andere Personen via App (P2P-Zahlungen). Als häufigster Grund für die Nichtnutzung wird für beide Verfahren der fehlende Bedarf an einer solchen Bezahllösung genannt. Der zweithäufigste Grund ist, dass das Verfahren als unsicher wahrgenommen wird.

Viele Verbraucher misstrauen mobilen Bezahltechnologien grundsätzlich. Der fehlende Bedarf hingegen begründet sich in dem Vorhandensein eines flächendeckend verfügbaren und von den Verbrauchern als ausreichend empfundenen Zahlungsmixes aus Bargeld, Girokarte, Überweisung und Lastschrift/ELV. Kunden sehen folglich oftmals keinen Mehrwert in der Nutzung ihres Smartphones für den Bezahlvorgang. Aufgrund der fehlenden Nachfrage auf Verbraucherseite scheuten sich auch Banken und Handel bislang vor großen Investitionen– ein Henne-E i-Problem.

Die Studie kommt zu dem Fazit, dass das Bezahlen mittels mobiler Endgeräte auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen „könnte“. Da das Smartphone mittlerweile zum ständigen Begleiter fast aller Käuferinnen und Käufer geworden ist, mobiles Internet flächendeckend verfügbar ist und die Einrichtung NFC-fähiger Terminals am POS weit vorangeschritten ist, sind die Grundvoraussetzungen erfüllt.

Zur Beschleunigung der Entwicklung könnte insbesondere die geplante Verbreitung von Instant Payment in Verbindung mit Bezahl-Apps für das Smartphone sowie die von der Deutschen Kreditwirtschaft geplante Integration der Girocard ins Smartphone beitragen. Möglich ist aber auch, dass die großen Internetkonzerne ihre Aktivitäten in Deutschland ausweiten. Apple und Co aus den USA sind zurzeit (noch) nicht am deutschen POS vertreten, doch Alipay und Wechat werden bereits von einer steigenden Zahl deutscher Händler sowohl im E- Commerce als auch am POS akzeptiert – im Fokus stehen hierbei allerdings bisher chinesische Reisende, denen das gleiche „Bezahlerlebnis“ wie zu Hause ermöglicht werden soll.

Der Autor arbeitet in der Abteilung Grundsatzfragen Zahlungsverkehr der Deutschen Bundesbank.

Foto: Fotolia/WONG SZE FEI
Grafiken (2): Deutsche Bundesbank

Weitere Informationen: www.bundesbank.de

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